Die Würfel sind noch nicht gefallen. Dass der Wärmeinhalt unseres Planeten eine unerschöpfliche Energiequelle darstellt, ist theoretisch schon sehr lange bekannt. Vor dem Hintergrund, dass die Erde einen heißen, glutflüssigen (äußeren) Kern hat, in dem Temperaturen über 6.000 Grad Celsius herrschen, und der interplanetare Raum im Sinne des Außenraums durch den absoluten Temperatur-Nullpunkt (-273 Grad Celsius) gekennzeichnet ist, gibt es einen ganz erheblichen, stetigen Wärmefluss vom Inneren unseres Planeten nach außen. Dieser Wärmestrom ist aber nicht gleichförmig über die gesamte Erdoberfläche verteilt, sondern es gibt Schwächezonen und geologische Störungen in der Erdkruste, wo die Erdwärme besonders intensiv nach außen durchdringen kann.
Das passiert zum Beispiel an den Subduktionszonen der Kontinentalränder, die auch durch Vulkanismus (Chile) gekennzeichnet sind, an den Mittelozeanischen Rücken (wovon Island einen Teil darstellt), im Umfeld „schlafender“ Supervulkane (Yellowstone Nationalpark in Wyoming-USA, Phlegräische Felder westlich Neapel, Laacher See westlich Andernach am Rhein) oder im Bereich tief reichender, aktiver geologischer Störungen (Oberrheingraben).
Zwar wissen die Physiker, dass die Wärme die „minderwertigste“ Energieform überhaupt ist. Das bedeutet, dass ihre technische Umwandlung in brauchbarere potenzielle, kinetische oder elektrische Energie nur mit relativ geringem Wirkungsgrad erfolgen kann, aber die Verluste sind angesichts der Unerschöpflichkeit der Erdwärme gut verschmerzbar.
Vorbilder bei der Nutzung der Erdwärme
In Europa sind als Vorreiter bei der Nutzung der Erdwärme ganz klar Island und Italien zu benennen. Wie oben erwähnt, stellt Island geologisch einen Teil des Mittelatlantischen Rückens dar, der dort eben über den Meeresspiegel hinausragt. Hier trifft das Meerwasser direkt auf heiße Basalte, die aus dem Erdmantel an die Oberfläche herauf quellen, um die Kontinente Amerika und Europa jedes Jahr um weitere circa fünf Zentimeter voneinander zu entfernen. Da nimmt es nicht Wunder, dass sich die Isländer flugs dazu entschlossen haben, ihre gesamte Energiewirtschaft auf die Basis der Geothermie zu stellen. Das geschieht dort zum großen Teil mit Turbinen, die den enormen Dampfdruck des überhitzten Meerwassers direkt zur Stromerzeugung nutzen.
Auch im italienischen Ladarello in der schönen Toscana hat die Geothermie schon eine lange Tradition und beflügelt die Wirtschaftskraft dieser Region. Dort befindet sich eine ausgeprägte geothermische Anomalie, das bedeutet, dass der normale geothermische Gradient von ungefähr 30 Grad Celsius pro Tausend Meter Tiefe in dieser Region durch eine erheblich größere Zunahme der Temperatur mit der Tiefe ersetzt ist.
Die Situation in Deutschland
Unser Land gilt nicht als herausragender Geothermiestandort, wenngleich es hier geothermische Anomalien gibt, die angezapft werden. Der Hinweis auf den Oberrheingraben ist oben schon gefallen. Dort entstehen zum Beispiel bei Landau und Insheim große Anlagen zur Nutzung der geothermischen Energie, aber auch im Molassebecken nördlich der Alpen bei Unterhaching südlich von München wird seit vielen Jahren elektrische Energie mit beziehungsweise durch Erdwärme erzeugt.
Auch in Norddeutschland ist der Betrieb von Geothermiekraftwerken attraktiv, wie dies der Standort in Neustadt-Glewe in Mecklenburg-Vorpommern seit vielen Jahren unter Beweis stellt. Die durch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) durchgeführte Forschungsbohrung „Genesys“ in Hannover hat gezeigt, dass die Tiefenwässer in der Sandstein-Zielformation in knapp 4.000 Metern Teufe deutlich heißer sind, als es theoretisch vorausgesagt wurde. Das ist eine gute Nachricht mit Blick auf die zu erwartende Energieausbeute der tiefen Geothermie in Norddeutschland.
Geothermie umfasst aber viel mehr als Tiefbohrungen. Jedes einzelne Haus lässt sich durch einen eigenen Brunnen beheizen, mit dessen Hilfe dem Grundwasser Wärme entzogen wird. Noch weniger aufwendig sind jene Anlagen, die der Umgebungsluft ihre Wärme entziehen, um diese ins Innere des Hauses abzuleiten, wenngleich diese Anlagen im deutschen Winter schnell an ihre Grenzen stoßen. Im Zuge der Energiewende werden diese geothermischen Heizlösungen heute finanziell gefördert. Die Unternehmen, die diese Technik anbieten und installieren, stehen auch bei der Beantragung der Fördermittel mit Rat und Tat zur Seite. In Anbetracht des enormen Umfangs des Themas Geothermie wird hier aber der Fokus auf die Tiefengeothermie gerichtet.
Was hat Geothermie mit Erdbebengefahr zu tun?
Am 8. Dezember 2006 löste das Geothermie-Projekt „Deep Heat Mining“ in Basel ein deutlich spürbares seismisches Ereignis mit einer Magnitude von 3,4 aus. Das schreckte zugleich die Medien und die Politiker auf mit dem Ergebnis der Einstellung des Projekts, das bereits Unsummen an Investitionskosten verschlungen hatte. In Deutschland reagierten die Betreiber von Geothermiekraftwerken darauf mit der Selbstverpflichtung der ausgedehnten seismischen Überwachung der Geothermiestandorte. Das Ziel besteht darin, auch alle kleinen Erdstöße, die an der Oberfläche von Menschen noch nicht gespürt werden, zu erfassen, um aus der Magnituden-Häufigkeits-Statistik die Wahrscheinlichkeit für größere Schadbeben ableiten zu können.
Zugleich ist mit dem permanenten Erdbeben-Monitoring ein komplexer, gestaffelter Reaktionsplan verbunden, der bei Auftreten stärkerer Ereignisse bis zum sofortigen Abschalten der Anlagen führt. Das ist in der Tat ein schweres Damoklesschwert für die Betreiber, die jederzeit damit rechnen müssen, dass sie all ihre Investitionen in den Sand gesetzt haben. Insofern kann man hier mit Fug und Recht von einem herben Rückschlag in der schweizerischen und deutschen Geothermie sprechen.
Darum ist Fracking so umstritten
Die Zielhorizonte für die tiefe Geothermie sind meistens permeable Sandstein- und klüftige Kalksedimente. Allerdings liegen diese zuweilen in mehr als 4.000 Metern Tiefe und entsprechend hoch sind dort die Temperaturen und der hydrostatische Auflastdruck. Das bedeutet, dass die Sedimentgesteine hochgradig verdichtet sind und keine gute Wasserwegigkeit im Sinne einer großen Wärmetauscherfläche bereitstellen. Dem hofft die Industrie, mit einem aufwendigen Frackingverfahren begegnen zu können.
Unter extrem hohen Drücken wird eine Emulsion aus Wasser und Chemikalien, deren Zusammensetzung die beteiligten Unternehmen gern als Betriebsgeheimnis hüten, in den tiefen Untergrund eingepresst, um auf diese Weise vorhandene Störungen zu erweitern und bereits verheilte, inaktive Störungen neu aufzubrechen. Dass sich dabei die bestehenden Gebirgsspannungen, die es naturgemäß immer und überall gibt, in Form von Erdbeben entladen können, ist eigentlich eine Binsenweisheit.
Geothermie ist ein (Geo)Politikum
Seit Jahrzehnten bemüht sich die deutsche Regierung darum, geothermische Projekte in den Ländern des Ostafrikanischen Grabensystems, das ebenfalls eine großräumige Schwächezone in der Lithosphäre darstellt, voranzubringen. Dazu ist extra der Etat für die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) und die Technische Zusammenarbeit (TZ) eingerichtet. Man hofft, damit die Länder in die Lage zu versetzen, die von Deutschland angeschobenen Geothermieprojekte eines Tages eigenständig weiterführen zu können im Sinne einer technischen Basis für deren nationale Energiewirtschaft. Aus Sicht von Spezialisten aus der Wirtschaft schafft dies in den afrikanischen Ländern qualifizierte Arbeitsplätze und in deren Schlepptau Wohlstand für die gesamte Bevölkerung. So gesehen ist dies ein Beitrag dafür, die Menschen zu motivieren, ihre Heimat nicht aus wirtschaftlichen Beweggründen zu verlassen. Ob das Kalkül aufgeht, wird sich noch zeigen.
Ausblick und Schlußwort
Der Klimawandel ist in vollem Gange und zurecht hat die Bundesregierung entschieden, regenerativen Energien, dazu gehört auch die unerschöpfliche geothermische Energie, den Vorzug vor dem Verbrennen fossiler Energieträger zu geben. In Anbetracht der beschlossenen Abschaltung aller deutschen Kernkraftwerke kommen wir nicht darum herum, der Geothermie einen wichtigen Platz im deutschen Energiemix einzuräumen.
Dennoch hat die Geothermie gerade in Deutschland noch Hürden zu überwinden. Der in manchen Fällen erforderliche Einsatz von Frackingmethoden wird den Unmut vieler Bürgerinitiativen heraufbeschwören, einstweilige Verfügungen von Gerichten werden dieser Form der Energiegewinnung immer wieder Rückschläge versetzen, davon können wir heute schon ausgehen. Wenn es dann noch zu einem durch die Geothermie ausgelösten deutlich spürbaren Erdbeben in Deutschland kommt, und dieses Szenario ist nicht einmal unwahrscheinlich, könnte dies sogar das Ende der Geothermie hierzulande bedeuten